Bulgakow und Lukianenko

Hinten, auf der Rückseite der Heyne-Ausgabe von Sergej Lukianenkos "Weltengänger" aus 2013 beginnt die Romanbeschreibung mit "Erst sieht es aus wie ein böser Scherz". Meine Hypothese: Vielleicht ist es einfach ein böser Scherz. Vielleicht ist es aber für jede Erzählung zuviel, direkt nach Michail Bulgakows "Meister und Margerita" gelesen zu werden.

Von vorne. Michail Bulgakow, Meister und Margerita. Ein Roman, durchkomponiert von vorne bis hinten, in Einteilung, Spannung, Sprache und Figuren, mehr fällt mir grade nicht ein - und komponiert ist grade der richtige Begriff, weil die Sätze durchaus lyrischen Anspruch haben und Sprachverwendung der Figuren mit ihrer Entwicklung geht. Und dabei konnte Bulgakow seinen Text nicht einmal mehr vor der Veröffentlichung "schleifen", er starb zuvor, veröffentlicht wurde der fast fertige Text mithilfe seiner Frau, Jelena Bulgakowa und diversen Aufzeichnungen zusammengeschustert, was zur ein oder anderen Lücke führt, glaubt man dem Übersetzer Alexander Nitzberg. Meister und Margerita ist aber nicht eine einfach Erzählung die vorne beginnt und hinten endet, es ist ein Kunstwerk mit Verrücktheiten, die erfrischender nicht sein könnten. Kontinuität mag ja nett sein, ist hier nach meinem begeisterten Empfinden aber keine Kategorie. Wir haben hier also ein Prachtexemplar von Literatur, dem ich vielleicht später näher kommen möchte, jetzt soll es noch im Glanze stehen bleiben.

Danach Sergej Lukianenkos "Weltengänger". In der Ausgabe, in der ich es gelesen habe knapp 600 Seiten mit einer süßen Idee mit dem ein oder anderen ganz gut funktionierenden Witz. Obwohl 600 Seiten, die dank Hauptsatzstil schnell durch sind, macht es kaum Sinn, das Buch ohne den Nachfolger "Weltenträumer" zu verkaufen. Weltengänger setzt sich nämlich in etwa so zusammen: 5/6tel Exposition, um dann rasch Spannung zu erhöhen, drei bis vier Kapitel Spannungshöhepunkt und ein Cliffhanger als Ende. Man könnte denken, es ist der erste, vorbereitende Teil einer Triologie (klassischerweise, man denke an Star Wars Episode 1 und 2).
Insgesamt lässt sich der Weltengänger ganz gut lesen, es gibt aber Momente, in denen die Augen gerollt und das Buch weggelegt werden, dazu gehören z.B. krampfhaft Selbstironie des Genres (der Autor nennt (und bedient) die Klischees, die jetzt kommen müssen oder nicht kommen dürfen), zahlreiche Verweise auf andere Science-Fiction-Bücher und -Autoren sowie Zitate, beide Punkte machen den Weltengänger eher zu einem Meta-SciFi-Buch, was Kenner mehr interessieren dürfte. Die Figuren sind nicht wirklich griffig (lustig war allerdings der Freund Kotja, der Pornoschriftsteller), die Geschichte glänzt gut durch den anscheinend starken Versuch, sie doch durch die Umsetzung zu verstecken.
Nett hingegen ist die Geschichte (junger Mann wird aus seinem Leben herausgerissen bzw. gelöscht und wird von einer unbekannten Macht zum "Zöllner-Funktional", d.h. hat einen Turm als Übergang zwischen fünf Welten, das Verhältnis dieser Welten und die unbekannte Macht werden entdeckt), der Schreibstil ist am Ende auch für den Roman angemessen, leicht zu lesen, schnell, simpel, ziemlich klar. Wenn ich das Buch oder das Genre richtig verstehe, will es ja keine Meisterwerk der Sprache sein (was dann in einer Übersetztung zu lesen sowieso schwierig ist), sondern ein Universum, viele Bilder, einen Kontext sozusagen, aufbauen, die dann meist für eine Heldengeschichte hergenommen wird.

Es wirkt wie eine kurze Zwischenübung Lukianenkos, wobei ich sein Hauptwerk (Die Wächter-Reihe) nicht kenne, die aber anscheinend sehr hoch gehalten wird, es ist sozusagen ein netter Happen für Zwischendurch, aber wie oben bereits geschrieben: Keine Burger+Pommes nach einem Abendessen eines ganz formidablen Chefkochs. Vielleicht ergänze ich später wirklich noch um eine Beschreibung Meister und Margeritas.

Kommentare