Studieren lernen

Studieren ist gottseidank in Österreich eine Möglichkeit, die sehr vielen Menschen offen stehen. Zum einen gibt es an der Uni keine Kosten allein fürs an-der-Uni-sein, was man sich leisten muss, ist eben das Wohnen am Studienort - und dafür gibt es, wenn seitens der Eltern nicht viel Geld da ist, Stipendien (von Leistungsstipendium bis zum staatlichen, allgemein gewährten "stipendium.at"). Die Universität ist aber eine eigene Welt, und wer nicht mit Akademikern im Umfeld aufgewachsen ist, kann da schon Schwierigkeiten haben, sich einzuleben. Das fängt schon vor der Uni an, bei der Studienwahl und dabei, überhaupt eine Vorstellung davon zu haben, was es heißt, an der Uni zu sein und ein bestimmtes Fach zu studieren. Mir ging's zumindest so, deshalb will ich hier ein paar Punkte notieren, die ich nach einigen Jahren an der Uni gelernt hab:

1. Was soll ich studieren?

Gute Frage. Es gibt von den meisten Unis einen "Tag der offenen Tür", an denen sich alle möglichen Studienrichtungen vorstellen und eine Art Probe-Vorlesung veranstalten, meist Ende September. Dafür sollte man sich auch in der Schule freistellen lassen können, vor allem in der Vor-Matura-Klasse oder in der Matura-Klasse. Es gibt an jeder Uni einen "Grundstock" an Fächern, die angeboten werden, darüber hinaus kann das Angebot aber von Uni zu Uni variieren. 

Es gibt Fächer, zu denen schon gewisse Vorstellungen bzw. Vorurteile herrschen: Jus oder Medizin ist schwer und teuer, Philosophie bringt einen nicht weiter, etc. Bevor eine Entscheidung auf Grundlage solcher Gedanken getroffen wird: Wenn möglich mit Leuten reden, die das studieren / studiert haben. Vor allem was Jus und Medizin angeht, es ist nicht teuerer als andere Studiengänge auch. Beide Fächer verlangen meist pro Fach ein oder mehrere Lehrbücher, die z.B. auch € 50 kosten können, dafür hat man nach ein paar Jahren Studienzeit (vor allem als Mediziner) exzellente Jobaussichten - auf lange Sicht wiegt sich das also mehr als auf. Was Philosophie betrifft, so sind viele Fächer der Geisteswissenschaften keine direkten "Berufsausbildungen", was nicht heißt, dass es "nichts bringt", sondern z.B. das Denken schulen kann oder auf eine akademische Laufbahn vorbereiten kann. Es lohnt sich auf jeden Fall, mal durch das ganze Studienangebot durchzublättern und sich zu überlegen, was einen interessiert - und sich dabei nicht entmutigen lassen von Aussagen wie "Das ist ein Nischenfach" oder "Das kann ich nicht". Einfach ausprobieren :) (Link zu den Uni's in Österreich)

Wenn's nicht passt: Viele, wenn nicht die meisten Studierenden wechseln ihr Fach. Die wenigstens Menschen wissen mit 18 genau, was sie im Leben machen möchten oder ob dieser Studiengang wirklich das Richtige für sie ist. Im ersten Jahr haben viele die Gelegenheit, sich an der Universität umzuschauen, mit Studierenden anderer Fachrichtungen auch zu treffen und zu reden und sich erst "richtig" zu orientieren. 

Wenn's besonders gut passt mit dem Fach bzw. einem spezfischen Thema: dann besteht sogar die Möglichkeit, den Professor anzusprechen und sich z.B. als studentischer Mitarbeiter zu bewerben.

2. Mit welchen Kosten muss ich rechnen?

 
Eine staatliche Uni in Österreich erhebt normalerweise keine Studiengebühren. Wenn die Uni aber nicht am Wohnort ist, oder es ein langer Weg zur Uni ist, macht es Sinn, in die Universitätsstadt zu ziehen, und mit dem "Selbstständig leben" sind Kosten verbunden: Miete (inkl. Betriebskosten, d.h. Heizung, Wasser, Strom, Internet), Transportkosten (Auto oder Öffis), Lebensmittel, Freizeit etc. (=Lebenserhaltungskosten).

Die Studiengebühren sind für EU-Bürger*innen nur fällig, wenn die Mindeststudienzeit plus zwei Toleranzsemester überschritten werden. Die Mindeststudiendauer ist bei jedem Studiengang einzeln angegeben - für die meisten Bachelor-Studiengänge sind es sechs Semester, d.h. drei Jahre. Daneben gibt es natürlich auch in Österreich Privatunis, bei denen es sehr wohl Studiengebühren gibt, z.B. die UMIT Hall oder die Sigmund-Freud-Uni in Wien.

Auf der anderen Seite gibt es für die Lebenserhaltungskosten Stipendien. Es gibt verschiedene Leistungsstipedien, die man meist noch nicht im ersten Semester beantragen kann. Was aber immer geht, ist ein Antrag auf Stipendium.at, das ist eine staatliche Förderung. Der Förderungstopf ist sehr groß und entschieden wird nach "sozialer Bedürftigkeit". Da sich meist aber nicht genug Student*innen melden, um den Fördertopf auszureizen, sollte man sich auf gut Glück bewerben. Alternativ gibt es auch Studierende, die neben dem Studium arbeiten. Typische Studentenjobs sind z.B. Kellnern, Verkauf (Kino, Supermarkt, ...). Nach einiger Zeit ist es auch gut möglich, dass man einen Studentenjob findet, der etwas mit dem eigenen Studienfach zu tun hat. Somit kann der Nebenjob auch sehr bereichernd werden.

 

3. Was muss ich organisieren, bevor das Studium beginnt?

 
Es macht Sinn, sich ungefähr ein Jahr vor dem Studium langsam Gedanken zu machen und vielleicht den Tag der offenen Tür auf einer / mehreren Unis zu besuchen. Wichtig ist, sich über Fristen für jeweilige Studiengänge zu informieren: Bis wann ist die sogenannte "Immatrikulation" nötig? Gibt es eine Aufnahmeprüfung mit Anmeldefristen? - diese Fristen müssen natürlich eingehalten werden. Die Informationen sind eigentlich auf jeder Uni-Homepage öffentlich, aber die Homepages können beim ersten Besuch verwirrend sein. Im Zweifelsfall gibt es Studienabteilung, bei der man anrufen kann. 
 
(Die Immatrikulation ist sozusagen die Anmeldung an der Universität - nach der Immatrikulation ist man Student an der Universität und bekommt den Studentenausweis. Daneben gibt es die Inskription, das ist die Anmeldung für einen bestimmten Studiengang, d.h. für ein bestimmtes Fach. Das Schöne an der Uni ist, dass für viele Lehrveranstaltungen eine Immatrikulation reicht, d.h. selbst wenn ich für "Bachelor Geschichte" eingeschrieben bin, kann ich z.B. Lehrveranstaltungen aus "Bachelor Soziologie" besuchen und mich so auch in anderen Fächern umsehen oder einzelne Lehrveranstaltungen, die mich interessieren, besuchen, ohne gleich den ganzen Studiengang nehmen zu müssen).

Dann sollte man sich rechtzeitig um die Wohnsituation kümmern. Wenn das Elternhaus in der Nähe ist und auch kein Wunsch besteht, auszuziehen ist das natürlich überflüssig. Ansonsten sollte man sich um einen Platz in einem Studentenwohnheim kümmern, oder um eine Wohnung. Ich persönlich habe nicht viele Leute kennengelernt, die direkt von zuhause in eine eigene Wohnung gezogen sind (oder eine Garconniere, d.h. eine kleine Einzimmer-Wohnung), die meisten gehen zuerst in ein Studentenwohnheim oder eine WG (Wohngemeinschaft). In einer WG leben mehrere Studenten (selten auch Berufstätige) in einer Wohnung zusammen. Da muss man sich manchmal zusammenraufen, dafür hat man schon die ersten Kontakte in der Stadt. Für den Wohnungs- und WG-Markt gibt es Seiten wie Immwelt, Immobilienscout, da kann es aber auch sein, dass über einen Makler gesucht wird, d.h. es werden Maklergebühren fällig. Besonders der WG-Markt läuft meist eher über Facebook-Gruppen ab (Such auf Facebook einfache deine Zielstadt und "WG" oder "Wohnung gesucht"), da das privat vermittelt ist, fallen keine Maklergebühren an. In einigen Städten gibt es dazu noch eine Wohnungs- und WG-Börse von der ÖH (Österreichische Hochschülerschaft), die ebenfalls privat vermittelt. Zu Beginn werden auf jeden Fall bei einer Wohnung oder WG die Kaution (einmalig, meist etwa 3 Mieten) und dann monatlich die Miete fällig. 

 

4. Wie läuft ein Studium ab?

 
Das Studium ist grundsätzlich in Semestern, also Halbjahren eingeteilt. Das Wintersemester geht von Oktober bis Ende Jänner, dann kommen Semesterferien, danach von Anfang März bis Ende Juni geht das Sommersemester (danach die Sommerferien). 
 
Die folgenden Erklärungen sind für die meisten Studienrichtungen geeignet, v.a. das Medizinstudium schaut aber etwas anders aus (für Ergänzungen bin ich dankbar).

Im ersten Semester gibt es in vielen Studiengängen eine "StEOP", eine Studieneingangs- und Orientierungsprüfung. Das heißt, dass man im ersten Semester gewisse Lehrveranstaltungen (LV) besuchen muss und positiv abschließen muss, um weiter studieren zu können. Auch ohne StEOP gibt es viele Studiengänge, für die es einen "empfohlenen Studienverlauf" gibt, d.h. einen Plan, wann man welche LVs machen sollte / kann. Das ist besonders sinnvoll, wenn es ein Studiengang ist, bei dem manche LVs Voraussetzung für andere LVs sind. Wenn man davon abweicht, ist das meist kein Drama. Oft ist man sogar gezwungen, manche Kurse vorzuziehen oder nachzumachen.

Der Aufbau des Studiums ist im "Curriculum" festgelegt. Darin steht, was für Veranstaltungen man alles besuchen muss, um den Studiengang irgendwann abzuschließen. Die meisten Studiengänge sind in sogenannte "Module" aufgeteilt, die wiederum aus verschiedenen Lehrveranstaltungen bestehen. Es gibt verschiedene Typen von LVs: Vorlesungen (VO), Übungen (UE), Proseminare (PS) etc. Sie unterscheiden sich z.B. in Gruppengröße, Anwesenheitspflicht, und Abschluss. Eine VO hat typischerweise eine Abschlussprüfung am Ende des Semesters, während ein PS oft mit einer schriftlichen Arbeit oder einem Referat abschließt. Für jede LV hat man einen LV-Leiter, oft ein Professor oder zumindest ein Doktor der jeweiligen Disziplin, für große LVs gibt es auch "Tutoren", d.h. Studenten, die die LV schon positiv abgeschlossen haben und die Fragen dazu beantworten können.

Wenn es Probleme gibt, ist es meist möglich, einfach den LV-Leiter anzusprechen oder anzuschreiben bzw. den Tutor, falls es einen gibt. Wenn sich die Probleme nicht lösen lassen, gibt es auch eine StV (Studierendenvertretung), die vermitteln kann. Die StV gibt es für jede Studienrichtung und sie wird gewählt. 
 
Ein wichtiges Modul in vielen Studienrichtungen ist die Bachelor- / Master- / Diplomarbeit. Dafür muss man sich oft früh genug selbst um einen Betreuer kümmern - das wird aber im Verlauf des Studiums erklärt werden!

Wenn alle Module erfolgreich abgeschlossen sind, d.h. alle LVs des Moduls erfolgreich abgeschlossen sind, können die Unterlagen beim Prüfungsreferat eingereicht werden - und damit schließt man eigentlich auch schon ab. Die typisch-US-amerikanischen Abschlussfeiern gibt es per Standard nicht, aber es gibt zu jedem Semesterende die Möglichkeit für etwas ähnliches. 

 

5. Wie ist die Universität organistorisch aufgebaut?

 
Ungefähr Äquivalent zum Direktor in der Schule ist der Rektor mit seinen Vizerektoren für bestimmte Angelegenheiten (v.a. an größeren Unis). Die Uni ist in verschiedene Fakultäten eingeteilt (z.B. "Fakultät für Architektur"), Fakultäten sind wiederum in Institute aufgeteilt (z.B. "Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaften", "Institut für Psychologie"). An einem Institut gibt es meist mehrere "Lehrstühle", d.h. einen Fachbereich mit einem Professor, der diesen Lehrstuhl "innehat". Dieser Lehrstuhl hat dann oft mehrere Mitarbeiter, z.B. studentische Assistenten, Dissertanten oder Assistenz-Professoren.

Daneben gibt es meistens wie in jeder anderen großen Organisaton auch einen technischen Dienst, die Hausmeister*innen, Sekretär*innen, Angestellte in den Büros der Uni etc.

 

6. Wie kommt man zu mehr Infos / uni- oder fachspezifischeren Infos?

 
Die meisten Unis geben Broschüren und kleine Hefte mit Infos für Studienanfänger*innen heraus, auch die ÖH für ganz Österreich. Dazu gibt es auf den Homepages der Uni meistens auch Unterseiten für die jeweiligen Studiengänge und Institute, auf der aktuelle und detaillierte Infos stehen.

 

7. Was muss ich können, um studieren zu können?

 
Wenn du gerne lernst oder Ausdauer im Umgang mit Büchern bzw. Lernstoff beweisen kannst, kannst du im Regelfall auch studieren. So blöd es klingt: Lesen können ist wichtig, in manchen Fächern auch auf Englisch. Das erwähne ich extra, weil sinnerfassendes Lesen mitunter zu wenig geübt wird (kann durch regelmäßige Lektüre gut aufgebaut werden - das müssen keine Schinken sein, sondern können auch leichte Sachtexte, Zeitung, Romane etc. sein). Für alles andere werden in der Regel von Seiten der Fachschaft, ÖH, Institut o.Ä. gerne auch Zusatzkurse oder Sommerkurse angeboten.

Falls Fragen offen sind / Hinweise --> gerne kommentieren oder mir schreiben. Für spezifische Fragen am besten an die ÖH schreiben, die helfen gern weiter :)

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