Kecskemét

Bei der Information, man besuche Kecskemét (als Tourist), wird meist die Frage nach dem „Warum?“ gestellt. Es ist klein (110.000 Einwohner, keine Uni), es gibt nicht viele Sehenswürdigkeiten und auch sonst ist nicht allzu viel los. Die Stadt ist gut erreichbar, sie liegt zwischen Budapest und Szeged, beide Städte sind in ca. einer Stunde mit dem Zug erreichbar.

Trotzdem ist es großartig. Der Reiz der Stadt liegt nämlich im Bau und der Gestaltung öffentlichen Raums. Der Verkehr im Stadtkern ist kaum merklich, die aufwändig begrünten Promenaden und Alleen nehmen auch deutlich mehr Platz ein als die zweispurige Straße. Im Zentrum kommt man leicht von einem Park in den nächsten, beim Freiheitsplatz (sabadság tér) gibt es auch gute Möglichkeiten für Kaffee und Sandwiches (Weißbrot mit Butter, Belag und Käse überbacken). Dazu gibt es beim Deák Férenc tér vor der Kirche mehrere nette Spielereien: Brunnen bzw. ein Wasserspiel (wie in jeder ungarischen Stadt), eine Entfernungskarte, in der europäische Hauptstädte und Partnerstädte eingezeichnet sind, ein Marterpfahl u.Ä. Auch weiter außerhalb gibt es schöne Spaziermöglichkeiten, bis hinaus zum Friedhof zur hl. Dreifaltigkeit (szentháromság temető).


Nun gibt es diese schönen Spaziermöglichkeiten, und es gibt auch einen guten Grund, durch Kecskemét zu spazieren: Die Häuser. Die Stadt ist voll von Jugendstilbauten, aber auch anderen Kuriositäten und Besonderheiten. Das Stadtbild ist nicht einheitlich (bis auf eine Gegend mit stalinistischen Wohnhäusern), aber überraschend, ein Kuriositätenkabinett sozusagen. Es beginnt beim cifra palota, einem Bau der ganz und gar dem Jugendstil gewidmet ist, innen wie außen bunt und besonders in der Gestaltung (ein Blick nach innen gibt die Sicht auf eine ausgezeichnete kleine Ausstellung frei, der Palast ist nämlich ein Museum für Künstler der Region des 20. Jahrhunderts plus Wanderausstellungen. Damit kann man auch den Pfauensaal besichtigen). Es geht weiter mit der alten Synagoge (restauriert, damit ist die Fassade bei Schönwetter blendend weiß), dem klassizistischen Bau, in dem heute u.a. das Tourismuszentrum beherbergt ist, dem Katona József Gimnázium, eine Verrücktheit zwischen Backstein und Jugendstil gegenüber einem frei zugänglichen Rosengarten und so fort – zwischen Innenstadt und Bahnhof gibt es zudem eine Straße, die gelb gepflastert ist (Achtung, rutschig!). Auch Privathäuser vermögen es, zu überraschen: mit Fließen gestaltete Außenwände (natürlich ganz im Farbkonzept), eine Holzbrücke, die zwei Häuser im ersten Stock verbindet oder Kreatives mit Ziegeln.


Man kann in der Stadt auch ausgehen. Neben einem rustikalen, traditionsreichen Gasthaus (gute Küche und überraschend junge Karte) am Nordrand der Innenstadt gibt es auch einige Bars. Daneben gibt es noch dem Freizeitpark im Nordosten (szabadidőpark). Ein besonderes Stück in Kecskemét ist allerdings das otthon mozi és kávézó, Mitglied der Europa Cinemas, d.h. es werden auch kleine Produktionen, Kunstfilme und Filme in OmU gezeigt, was hierzulande wirklich nicht selbstverständlich ist.

Kecskemét hat Tradition. Die Siedlung an sich ist sehr alt und hat immer wieder Zeit zum Florieren gefunden. So hat die Ansiedlung Deutscher in Ungarn nach der Türkenbelagerung zum Aufschwung der Landwirtschaft geführt (Getreideanbau statt Weidewirtschaft), was wiederum zu Vermögen und damit zu den prächtigen Jugendstilbauten geführt hat. Die meisten Gebäude sind maximal 100 Jahre alt, da es um 1911 ein vielvernichtendes Erdbeben gab (mehr auf dem Wiki-Artikel). Es gibt, wie fast überall am ungarischen Land, ein ordentlich ausgeprägtes Kunsthandwerk, hier sind es Keramiken.

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