Universität und Kaffee

Gestern, am 12.12.2018, hat es an der Fakultät für Psychologie der Uni Innsbruck öffentliche "Hearings" gegeben. Dabei gaben drei ausgewählte Bewerber pro Fachbereich (Klinische Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie (A&O), heute auch Sozialpsychologie) einen 20-minütigen Überblick über ihre Forschung. Sie bewerben sich auf ausgeschriebene "Laufbahnstellen", eine pro Fachbereich, es handelt sich wohl um Post-Doc-Stellen mit weiterführender Anstellung als Dozent/in.

Obwohl ich dem Institut für Psychologie für die nächsten eineinhalb bis zwei Jahre nicht mehr angehöre, ist es natürlich dennoch interessant, aus politischen (Entscheidungsfindung am Institut) wie aus sozialen bis soziologischen Gründen, man kennt doch die halbe Belegschaft. Daher war ich bei den Hearings für den A&O-Fachbereich dabei. Stattgefunden hat das alles in einem kleinen Besprechungszimmer, es war dennoch genug Platz für alle Interessierten. Sehr viele Professoren besuchten die Hearings, aber es waren auch einige Kommilitonen dabei, wie auch Einige Ende 20 / Anfang 30, vielleicht Dissertanten oder Assistenten.

Die erste Kandidatin, Dr. Katharina Gangl, zuletzt bei der Uni Göttingen, hat sich sehr gut präsentiert. Nicht zu steif, aber fester Stand in der Mitte ihres Raumes und sie hat alles auf den Punkt gebracht - Werdegang im Kurzdurchlauf, Qualifikationen und internationales Renomée vorgebracht, einige Forschungsschwerpunkte erläutert, bzw. eine Forschung näher beschrieben. Inhaltlich ist sie in der Wirtschaftspsychologie aufgewachsen, ihr Renomée hat sie anscheinend v.a. als Steuerpsychologie, meines Erachtens hochspannend, in diesem zugegebenermaßen Randfeld hat sie sehr viel mit Ökonomien bzw. Volkswirtschaftlern und Betriebswirtschaftlern zu tun, mit Steuerbehörden und dem Staat, also sehr spannend und für die Psychologie eine eher seltener Weg der Interdisziplinarität. Darin untersucht sie v.a. das Verhalten in Bezug auf Steuern und die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bevölkerung / Unternehmen und Staat bzw. Fiskus. Ein weiterer Punkt ihrer Forschung, der damit zusammenhängt ist das ethische Verhalten innerhalb von Unternehmen, wobei sie das ethische Verhalten in ihrer Forschung negativ definiert, sie hat einen praktisch orientierten Korb an unethischem Verhalten, nach dem sie die Probanden befragt. Ein weiteres Thema ist Führungsemergenz, in ihrem Fall der Einfluss von bestimmten extremen "Führungspersönlichkeiten" und Geschlecht auf die Führung bzw. die Geführten. Zuletzt hat sie noch einen Ausblick auf ihre Zukunftsvorstellungen bzgl. Forschung gegeben, dabei hat sie auch einen Forschungsschwerpunkt aus der Ausschreibung angesprochen, insgesamt hat Dr. Gangl aber gewirkt, als ob sie das nur mäßig aus Eigeninitiative interessieren würde. Sie kandidiert auch für die Sozialpsychologie-Stelle.

Die zweite Kandidatin, Dr. Heike Heidemeier, zuletzt bei der Uni Aachen, war in ihrem Auftritt anders. Sie hat sich stärker auf ein Forschungsthema konzentriert, rund um das Persönlichkeitsmerkmal "Psychological Entitlement" (PE), d.h. eine Person mit diesem Merkmal denkt, ihm/ihr stünde mehr zu, betreibt tatsächlich aber nicht mehr Aufwand, es ist verwandt-verschwägert mit Merkmalen des Narzissmus. Es stört das Wohlbefinden im Unternehmen. Zusammen mit "Grandiosity" beeinflusst es über interpersonelle Strategien (dabei v.a. vermeidendes Bindungsverhalten) die Fairness-Wahrnehmung. Es gibt noch einige offene Fragen, wie z.B. was genau PE erzeugt, wobei sie dabei Genetik und Erziehung nennt, auf was es alles Einfluss hat, insbes. am Arbeitsplatz und andere Fragen der Beziehungen von PE mit anderen Merkmalen, Eigenschaften, der Umwelt und Person etc. Vor allem mit ihrer Verbindung zur Klinischen Psychologie (Bindungstheorie) erregt sie die Aufmerksamkeit von Prof. Buchheim, der Dekanin. Das Konzept, um das die Präsentation gebaut war, passt auch wunderbar zu den klassischen A&O-Themen (in Innsbruck). Zu ihrer Präsentation - und das sind nur 20 bis 30 Minuten, also wirklich nur mäßig aussagekräftig, bleibt zu sagen, dass sie in der Ecke stand, um die PowerPoint nicht zu verdecken, und in ihrer Sprache etwas Erzählerisches hatte. Ich befürchte etwas, wenn sie so auch als Dozentin präsentiert bzw. liest, wird sie von den Student/innen gefressen, in einem Stück, wobei das kein Qualitätskriterium sein muss - schließlich wird auch Prof. Sachse, der durchaus renommiert ist, ab und zu von Student/innen gefressen.

Der dritte Kandidat, Dr. Christian Seubert, zuletzt an der Uni Innsbruck, also mit Heimvorteil / -Nachteil, wie man es will, setzte auf  digitale Transformation. Sein Lebenslauf war weniger ausgerichtet, eigentlich kommt er aus der Betriebswirtschaft bzw. Logistik. In verdoppelter Sprechgeschwindigkeit und einer Flut an Karikaturen / Memes erläutert er seine Forschung zu veränderter Sichtweise auf die Arbeit durch technische, organisatorische, strategische und sozial-ethischer Aspekte und, viel wichtiger, Ambivalenzen der Autonomie. Dabei fordert er allem voran eine Ausdifferenzierung des Autonomiebegriffs, was er im Begriff sei zu tun, da z.B. Freelancern zwar Autonomie zustünde, diese sich aber sowohl in Ausmaß, Freiwilligkeit, als auch Konsequenzen stark von der Autonomie eines Kapitalisten / Kapitalgebers an der Wallstreet mit internationalen Beziehungen (Beispiel von Prof. Weber) unterscheidet. Er bespricht im Zuge dessen auch die Nachteile von Self-Leadership. Weiters stellt er kurz eine Literaturreview zu prekären Beschäftigungsverhältnissen vor, er schneidet auch humanorientierte Arbeitsgestaltung an. Zum Abschluss stellt er sein Lehrkonzept vor, bzw. was er zusätzlich zum bisherigen Bestand der Lehrveranstaltungen anbieten könnte. Aus den Reaktionen erschließt sich der Heimvorteil, die Professoren, die ihn bereits kennen, scheinen gut mit ihm zu können und ich konnte halb Kooperationsvorschläge heraushören, was bestimmte Themenfelder angeht. Er beantwortet die Fragen recht lang. Sein Forschungsfeld passt ganz wunderbar in die bisherige Tätigkeitsbereiche der psychologischen Fakultät Innsbruck, mit dem Themenfeld der Digitalisierung bekommt es dazu eine zukunftsweisende ("innovative"?) Richtung, was der Fakultät wohl gefallen würde.

Von diesen kurzen Eindrücken würde ich meinen, es läuft auf eine Entscheidung zwischen Dr. Gangl und Dr. Seubert hinaus, weil beide der Fakultät frisches Blut bringen würde, während Dr. Heidemeier zwar qualifiziert wäre und sich gut einfügen könnte, aber kaum etwas Neues mitbringen würde. Dr. Gangl scheint bereits einen guten Ruf zu haben und wäre sicher eine interessante "Errungenschaft" für die Universität, sie beschäftigt sich aber nicht mit den Hauptthemen aus A&O. Dr. Seubert hingegen würde sich, vielleicht weil er auch schon die Gelegenheit dazu hatte, sehr gut in das Kollegium in Innsbruck einfügen, dafür hat er wohl nicht ihr Renomée und ihre Laufbahn. Ich bin sehr gespannt, wer es am Ende werden wird.

Ad Kaffee: War ich bis zum letzten Jahr koffeinfrei unterwegs, konnte ich heute die Wunder, zu denen Kaffee in der Lage ist, am eigenen Leib erfahren. Ich bin, für den Moment, sehr gewillt, mich in die Tentakel der Ursula, der Kaffeesucht, zu begeben.

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